TAIFUN-Blog

Januar

Unternehmernachfolge – Worauf ist bei der Nachfolgeregelung innerhalb der Familie zu achten?

Lesen Sie hier den letzten Teil der Reihe.

Nach der großen Auswirkung der Pandemie in den vergangenen 20 Monaten und dem Wertewandel zu einem nachhaltigen und klimagerechten Wirtschaften und Leben, richtet sich der Blick wieder stärker auf das Unternehmensmodell des Familienbetriebes. Familienbetriebe existieren teilweise seit mehr als 100 Jahren und wirtschaften vernünftig und nachhaltig; sie sind auf Langfristigkeit ausgerichtet. Durch diesen langfristigen Planungshorizont sind und waren sie gehalten sich stetig neu zu erfinden. Manche Betriebe haben sich auch zu den sogenannten „Hidden Champions“ entwickelt. Das bedeutet, das Geschäftsmodell dieser Betriebe steht stetig auf dem Prüfstand, insbesondere dann, wenn die nächste Generation bereit ist den Betrieb zu übernehmen. In Verbindung mit dem o. g. Wertewandels werden Familienbetriebe wieder attraktiver für jüngere Unternehmer aus der Familie. Damit die Weitergabe dieser Betriebe funktioniert, müssen die abgebenden und übernehmenden Familienmitglieder einige wichtige Aspekte bei der Umsetzung auf jeden Fall berücksichtigen.

In diesem Beitrag geben Bernd Friedrich, Experte für Unternehmensnachfolge und Mirko Appel, Experte für die Gestaltung und Weiterentwicklung von betrieblichen Organisationen abgebenden und künftigen Chefs aus der Familie Tipps zu einer erfolgreichen Nachfolgeregelung innerhalb derer Familie.

Mirko Appel: Herr Friedrich, als Experte für Unternehmensnachfolge, haben sie bestimmt einen Blick auf die Anzahl der Familienbetriebe in Deutschland, die in den kommenden Jahren die Nachfolge regeln müssen. Wie stellt sich die aktuelle Situation dar?

Bernd Friedrich: Zum Thema der Unternehmensnachfolge in Deutschland bietet das Institut für Mittelstandsforschung ifm, Bonn in ihren regelmäßigen Berichten einen Blick auf dieses
Sachgebiet. Grundlage ist die letzte Veröffentlichung „Unternehmensnachfolge in Deutschland 2018 bis 2022“. Nach dieser Schätzung sind 93,6% der ca. 3,6 Mio. Betriebe in Deutschland Familienbetriebe. Sie bilden damit den dominierenden Unternehmenstyp. Einer der wesentlichen Merkmale dieses Unternehmenstyps ist, dass Familienmitglieder das Unternehmen gleichzeitig führen und besitzen. Die besondere Eigentums- und Führungsstruktur hat zur Folge, dass bei einer familieninternen Nachfolgereglung sowohl die Leitung des Unternehmens als auch das Eigentum übergeben werden muss. Gemäß einer Metaanalyse von 18 Studien durch das ifm ist die gewählte Nachfolgereglung bei Familienbetrieben mit 53% eine interne Lösung. Bei 18% wird eine unternehmensinterne Lösung geschaffen und 29% der Betriebe gehen an externe Inhaber und Eigentümer.


Bernd Friedrich: Der Betrieb soll nun auf die nächste Generation übertragen werden. Das ist der größte Wunsch und Wille des abgebenden Chefs. Herr Appel, bevor das formal passieren kann, was konkret muss im Vorfeld mit den Beteiligten geklärt werden?

Mirko Appel: Die Weitergabe an ein Familienmitglied ist oft gar nicht so einfach, da die
Interessenlagen innerhalb der Familie sehr unterschiedlich gelagert sind. Deswegen ist es zunächst wichtig die gegenseitigen Erwartungen und Ängste mit Hilfe externer Unterstützung transparent zu machen. Im nächsten Schritt wird geprüft, wie man mit dem Ergebnis so umgeht, dass ein möglichst großer Konsens der Beteiligten für das weitere Vorgehen und der angestrebten Lösung erreicht werden kann.


Mirko Appel: Herr Friedrich, was sind Ihre Erfahrungen bei den Gesprächen mit Chefs, warum sie es gerne sehen, dass Jemand aus der Familie ihren Betrieb übernimmt?

Bernd Friedrich: Viele Chefs haben den Betrieb vor Jahrzehnten selbst von den Eltern
übernommen und das Familienerbe erfolgreich weiterentwickelt und zu dem gemacht, was der Betrieb heute in der Region darstellt. Hierbei haben sie im Sinne der Familie ein hohes Engagement und viel Energie in den Betrieb investiert. Zum Teil habe ich es erlebt, dass einige Inhaber sehr emotional von der Geschichte des Familienunternehmens und ihrer eigenen Geschichte im Betrieb berichten. Falls sie nun über eine Nachfolge nachdenken, wird zunächst an die Familie gedacht. Mit dieser Maßnahme verknüpfen sie die Erwartungshaltung, dass der Nachkomme den gleichen Weg einschlägt, wie er das getan hat, unabhängig davon, ob der Nachkomme will oder auch geeignet ist.


Bernd Friedrich: Kommen wir zurück auf die Klärung der Erwartungshaltungen. Können sie bitte das an einem Beispiel kurz erläutern?

Mirko Appel: Erwartungshaltungen sind einseitige Verträge, die der andere nicht kennt. Nur wenn man seine Erwartungen ganz konkret mit dem anderen teilt und schaut ob auch dessen Erwartungen sich damit in Einklang bringen lassen, werden mögliche Lösungen tragfähig und erfolgreich sein. Wenn zum Beispiel der Chef nicht loslassen will und gerne bis zum letzten Lebenstag im Betrieb eine sichtbare Rolle spielen möchte und der Lebenspartner stellt sich einen klaren Tag der Übergabe vor und möchte danach z.B. häufiger auf Reisen gehen, muss man frühzeitig für beide Erwartungshaltungen eine Lösung finden, damit der Übergabeprozess nicht scheitert.


Mirko Appel: Ich habe gerade das Thema des Loslassens in meinem Beispiel erwähnt. Warum können ihrer Meinung nach viele Unternehmer nicht loslassen?

Bernd Friedrich: Es gibt meiner Meinung nach drei Gründe, warum viele Inhaber nicht loslassen können:
1. Viele wissen nicht, was sie am Tag eins nach dem Betriebsübergang inhaltlich unternehmen werden. Sie haben sich stets 60 bis 80 Stunden pro Woche über Jahrzehnte dem Betrieb gewidmet und sich um keine (Ausgleichs-)Beschäftigung gekümmert und aufgebaut.
2. Der tägliche Einsatz und die Präsenz des Inhabers im Betrieb ist „eingeübt; hier fühlen sie sich sicher und erfahren auch ihre Wertschätzung und Akzeptanz. Eine Veränderung der täglichen Abläufe bedarf einem sehr hohen Energieaufwand. Somit werden Veränderungsprozesse mit zunehmendem Alter immer schwieriger.
3. Die Menschen beschäftigen sich mit einer Nachfolgereglung mit ihrem persönlichen Ende.


Bernd Friedrich: Welche Besonderheiten bestehen bei den Erwartungen noch, Herr Appel?

Mirko Appel: Es gibt auch oft Erwartungen, die eigentlich versteckte Ängste widerspiegeln. So könnte die Angst bestehen, dass die Familie an dem Prozess auseinanderbricht oder das die nächste Generation scheitert und das Lebenswerk der Familie gefährdet. Auch Ängste hinsichtlich fehlender Unterstützung auf der einen Seite oder zu viel Einmischung auf der anderen Seite gilt es ernst zu nehmen und unbedingt transparent zu machen.


Bernd Friedrich: Ganz konkret Herr Appel, wie und womit können die Beteiligten ihre Erwartungen und Ängste offenlegen? Was ist nach der Offenlegung auf jeden Fall zu tun?

Mirko Appel: Jede Übergabe ist anders und jede Familie ist anders. Gemeinsam mit einem erfahrenen Moderator/Coach des Vertrauens werden im ersten Schritt nachfolgende Fragen beantwortet:
1. Was ist Ihre Absicht für die Staffelübergabe innerhalb der Familie?
2. Was sind die entscheidenden Erfolgsfaktoren, die eintreten müssen?
3. Was sollte/darf auf gar keinen Fall geschehen?
In einem zweiten Schritt wird mit allen betroffenen Familienmitgliedern (alle Kinder, ggfs. derer Lebenspartner) ein gemeinsamer Workshop durchgeführt. In diesem werden alle Erwartungen und Ängste der Beteiligten transparent gemacht und besprochen. Der nächste Schritt ist das gemeinsame Aufstellen eines Übergabeplans mit einem klaren Zieltermin, bis wann die „Staffelübergabe“ erfolgen soll. Dieser Übergabeprozess wird im Anschluss von dem Moderator/Coach eng begleitet.


Mirko Appel: Herr Friedrich, wir beide haben vor ca. einem Jahr einen solchen Prozess bei
Beteiligten eines 52 Jahre bestehenden Familienunternehmens gemeinsam durchgeführt. Was war aus ihrer Sicht die größte Erkenntnis?

Bernd Friedrich: Obwohl von allen Beteiligten im Vorfeld konsensorientierte Signale ausgesendet und die Erwartungen sowie Ängste allesamt offengelegt wurden, kam es bei der Festlegung des Zieltermins für die Staffelübergabe an den Nachkommen zu einem deutlich erkennbaren und emotionalen „Nein“ des abgebenden Chefs. In diesem Moment ist ihm klar geworden, dass für ihn ein betriebliches Enddatum gibt. Wir konnten den Inhaber bei seiner Gefühlslage abholen und einen Lösungsweg im Konsens mit dem Nachfolger und seiner Lebenspartnerin erarbeiten. Die Beteiligten haben den abgestimmten Prozess im Anschluss gemeinsam durchlaufen. In ein paar Tagen sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Kundinnen und Kunden und die Geschäftspartner des Betriebes zu einem Umtrunk zur Bestellung des Nachfolgers als zweiten Geschäftsführer herzlich eingeladen.

Zusammenfassung

Es gibt keinen vergleichbaren Prozess im Betrieb, wobei eine so große Anzahl von
Interessengruppen involviert sind. Dem klassischen Ablauf des Prozesses sind starke Emotionen überlagert. Das gilt insbesondere bei einer Nachfolgeregelung in der Familie. Viele ebensolcher Nachfolgereglungen scheitern deswegen, weil nicht aufgelöste Konflikte zwischen den beteiligten Familienmitgliedern herrschen. Damit die Nachfolgereglung erfolgreich und im Sinne aller Beteiligten verläuft, ist eine Begleitung durch vertrauensvolle Dritte zwingend notwendig. Falls es scheitert, droht eine Auflösung des Lebenswerkes und die im Betrieb verankerten Arbeitsplätze sind in Gefahr.

München und Brühl im November 2021

Zur Person und Rolle

Nach dem Studium der Wirtschafts- und Organisationswissenschaften an der Universität der Bundeswehr Hamburg; mit dem Abschluss Diplom-Kaufmann und seinem anschließenden Dienst bei der Luftwaffe, begann Mirko Appel seine berufliche Karriere 1994 in der freien Wirtschaft in einer international agierenden Unternehmensberatung. Nach mehreren Führungsaufgaben als Personalleiter, Prokurist und Mitglied eines Vorstandskreises in mittelständischen Unternehmen und internationalen Unternehmen, unter anderem mit amerikanischer und englischer Führung, gründete er als Geschäftsführer vor Beginn seiner Selbständigkeit erfolgreich eine GmbH für Mitarbeiterübernahmen (M&A) im Bereich IT-Dienstleistungen und führte diese erfolgreich über mehr als 4 Jahre.

Herr Appel ist seit 1994 aktiver Reservist, derzeit im Dienstgrad Oberst. 2008 gründete er FACE TO FACE CONSULTING GmbH mit Büros in Bonn und München. Ein klares und einheitliches Verständnis von Führung im Unternehmen ist das A und O für langfristigen Erfolg. Dieses Grundverständnis gemeinsam mit Unternehmern zu erarbeiten, dafür brennt er mit Leib und Seele.

Zur Person und Rolle

Nach 20 Jahren Berufserfahrung im Personalbereich in technischen Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen ist Bernd Friedrich seit 2012 selbstständig tätig. Sein Schwerpunkt liegt in der Beratung und Begleitung des Inhabers entwickelnder, produzierender und vertreibender technischer kleiner und mittlerer (Handwerks-)Betriebe zum Thema der Unternehmensnachfolge.
 

Bernd Friedrich

Januar

Unternehmernachfolge – Worauf ist bei der Nachfolgeregelung innerhalb der Familie zu achten?

Lesen Sie hier den letzten Teil der Reihe.

Nach der großen Auswirkung der Pandemie in den vergangenen 20 Monaten und dem Wertewandel zu einem nachhaltigen und klimagerechten Wirtschaften und Leben, richtet sich der Blick wieder stärker auf das Unternehmensmodell des Familienbetriebes. Familienbetriebe existieren teilweise seit mehr als 100 Jahren und wirtschaften vernünftig und nachhaltig; sie sind auf Langfristigkeit ausgerichtet. Durch diesen langfristigen Planungshorizont sind und waren sie gehalten sich stetig neu zu erfinden. Manche Betriebe haben sich auch zu den sogenannten „Hidden Champions“ entwickelt. Das bedeutet, das Geschäftsmodell dieser Betriebe steht stetig auf dem Prüfstand, insbesondere dann, wenn die nächste Generation bereit ist den Betrieb zu übernehmen. In Verbindung mit dem o. g. Wertewandels werden Familienbetriebe wieder attraktiver für jüngere Unternehmer aus der Familie. Damit die Weitergabe dieser Betriebe funktioniert, müssen die abgebenden und übernehmenden Familienmitglieder einige wichtige Aspekte bei der Umsetzung auf jeden Fall berücksichtigen.

In diesem Beitrag geben Bernd Friedrich, Experte für Unternehmensnachfolge und Mirko Appel, Experte für die Gestaltung und Weiterentwicklung von betrieblichen Organisationen abgebenden und künftigen Chefs aus der Familie Tipps zu einer erfolgreichen Nachfolgeregelung innerhalb derer Familie.

Mirko Appel: Herr Friedrich, als Experte für Unternehmensnachfolge, haben sie bestimmt einen Blick auf die Anzahl der Familienbetriebe in Deutschland, die in den kommenden Jahren die Nachfolge regeln müssen. Wie stellt sich die aktuelle Situation dar?

Bernd Friedrich: Zum Thema der Unternehmensnachfolge in Deutschland bietet das Institut für Mittelstandsforschung ifm, Bonn in ihren regelmäßigen Berichten einen Blick auf dieses
Sachgebiet. Grundlage ist die letzte Veröffentlichung „Unternehmensnachfolge in Deutschland 2018 bis 2022“. Nach dieser Schätzung sind 93,6% der ca. 3,6 Mio. Betriebe in Deutschland Familienbetriebe. Sie bilden damit den dominierenden Unternehmenstyp. Einer der wesentlichen Merkmale dieses Unternehmenstyps ist, dass Familienmitglieder das Unternehmen gleichzeitig führen und besitzen. Die besondere Eigentums- und Führungsstruktur hat zur Folge, dass bei einer familieninternen Nachfolgereglung sowohl die Leitung des Unternehmens als auch das Eigentum übergeben werden muss. Gemäß einer Metaanalyse von 18 Studien durch das ifm ist die gewählte Nachfolgereglung bei Familienbetrieben mit 53% eine interne Lösung. Bei 18% wird eine unternehmensinterne Lösung geschaffen und 29% der Betriebe gehen an externe Inhaber und Eigentümer.


Bernd Friedrich: Der Betrieb soll nun auf die nächste Generation übertragen werden. Das ist der größte Wunsch und Wille des abgebenden Chefs. Herr Appel, bevor das formal passieren kann, was konkret muss im Vorfeld mit den Beteiligten geklärt werden?

Mirko Appel: Die Weitergabe an ein Familienmitglied ist oft gar nicht so einfach, da die
Interessenlagen innerhalb der Familie sehr unterschiedlich gelagert sind. Deswegen ist es zunächst wichtig die gegenseitigen Erwartungen und Ängste mit Hilfe externer Unterstützung transparent zu machen. Im nächsten Schritt wird geprüft, wie man mit dem Ergebnis so umgeht, dass ein möglichst großer Konsens der Beteiligten für das weitere Vorgehen und der angestrebten Lösung erreicht werden kann.


Mirko Appel: Herr Friedrich, was sind Ihre Erfahrungen bei den Gesprächen mit Chefs, warum sie es gerne sehen, dass Jemand aus der Familie ihren Betrieb übernimmt?

Bernd Friedrich: Viele Chefs haben den Betrieb vor Jahrzehnten selbst von den Eltern
übernommen und das Familienerbe erfolgreich weiterentwickelt und zu dem gemacht, was der Betrieb heute in der Region darstellt. Hierbei haben sie im Sinne der Familie ein hohes Engagement und viel Energie in den Betrieb investiert. Zum Teil habe ich es erlebt, dass einige Inhaber sehr emotional von der Geschichte des Familienunternehmens und ihrer eigenen Geschichte im Betrieb berichten. Falls sie nun über eine Nachfolge nachdenken, wird zunächst an die Familie gedacht. Mit dieser Maßnahme verknüpfen sie die Erwartungshaltung, dass der Nachkomme den gleichen Weg einschlägt, wie er das getan hat, unabhängig davon, ob der Nachkomme will oder auch geeignet ist.


Bernd Friedrich: Kommen wir zurück auf die Klärung der Erwartungshaltungen. Können sie bitte das an einem Beispiel kurz erläutern?

Mirko Appel: Erwartungshaltungen sind einseitige Verträge, die der andere nicht kennt. Nur wenn man seine Erwartungen ganz konkret mit dem anderen teilt und schaut ob auch dessen Erwartungen sich damit in Einklang bringen lassen, werden mögliche Lösungen tragfähig und erfolgreich sein. Wenn zum Beispiel der Chef nicht loslassen will und gerne bis zum letzten Lebenstag im Betrieb eine sichtbare Rolle spielen möchte und der Lebenspartner stellt sich einen klaren Tag der Übergabe vor und möchte danach z.B. häufiger auf Reisen gehen, muss man frühzeitig für beide Erwartungshaltungen eine Lösung finden, damit der Übergabeprozess nicht scheitert.


Mirko Appel: Ich habe gerade das Thema des Loslassens in meinem Beispiel erwähnt. Warum können ihrer Meinung nach viele Unternehmer nicht loslassen?

Bernd Friedrich: Es gibt meiner Meinung nach drei Gründe, warum viele Inhaber nicht loslassen können:
1. Viele wissen nicht, was sie am Tag eins nach dem Betriebsübergang inhaltlich unternehmen werden. Sie haben sich stets 60 bis 80 Stunden pro Woche über Jahrzehnte dem Betrieb gewidmet und sich um keine (Ausgleichs-)Beschäftigung gekümmert und aufgebaut.
2. Der tägliche Einsatz und die Präsenz des Inhabers im Betrieb ist „eingeübt; hier fühlen sie sich sicher und erfahren auch ihre Wertschätzung und Akzeptanz. Eine Veränderung der täglichen Abläufe bedarf einem sehr hohen Energieaufwand. Somit werden Veränderungsprozesse mit zunehmendem Alter immer schwieriger.
3. Die Menschen beschäftigen sich mit einer Nachfolgereglung mit ihrem persönlichen Ende.


Bernd Friedrich: Welche Besonderheiten bestehen bei den Erwartungen noch, Herr Appel?

Mirko Appel: Es gibt auch oft Erwartungen, die eigentlich versteckte Ängste widerspiegeln. So könnte die Angst bestehen, dass die Familie an dem Prozess auseinanderbricht oder das die nächste Generation scheitert und das Lebenswerk der Familie gefährdet. Auch Ängste hinsichtlich fehlender Unterstützung auf der einen Seite oder zu viel Einmischung auf der anderen Seite gilt es ernst zu nehmen und unbedingt transparent zu machen.


Bernd Friedrich: Ganz konkret Herr Appel, wie und womit können die Beteiligten ihre Erwartungen und Ängste offenlegen? Was ist nach der Offenlegung auf jeden Fall zu tun?

Mirko Appel: Jede Übergabe ist anders und jede Familie ist anders. Gemeinsam mit einem erfahrenen Moderator/Coach des Vertrauens werden im ersten Schritt nachfolgende Fragen beantwortet:
1. Was ist Ihre Absicht für die Staffelübergabe innerhalb der Familie?
2. Was sind die entscheidenden Erfolgsfaktoren, die eintreten müssen?
3. Was sollte/darf auf gar keinen Fall geschehen?
In einem zweiten Schritt wird mit allen betroffenen Familienmitgliedern (alle Kinder, ggfs. derer Lebenspartner) ein gemeinsamer Workshop durchgeführt. In diesem werden alle Erwartungen und Ängste der Beteiligten transparent gemacht und besprochen. Der nächste Schritt ist das gemeinsame Aufstellen eines Übergabeplans mit einem klaren Zieltermin, bis wann die „Staffelübergabe“ erfolgen soll. Dieser Übergabeprozess wird im Anschluss von dem Moderator/Coach eng begleitet.


Mirko Appel: Herr Friedrich, wir beide haben vor ca. einem Jahr einen solchen Prozess bei
Beteiligten eines 52 Jahre bestehenden Familienunternehmens gemeinsam durchgeführt. Was war aus ihrer Sicht die größte Erkenntnis?

Bernd Friedrich: Obwohl von allen Beteiligten im Vorfeld konsensorientierte Signale ausgesendet und die Erwartungen sowie Ängste allesamt offengelegt wurden, kam es bei der Festlegung des Zieltermins für die Staffelübergabe an den Nachkommen zu einem deutlich erkennbaren und emotionalen „Nein“ des abgebenden Chefs. In diesem Moment ist ihm klar geworden, dass für ihn ein betriebliches Enddatum gibt. Wir konnten den Inhaber bei seiner Gefühlslage abholen und einen Lösungsweg im Konsens mit dem Nachfolger und seiner Lebenspartnerin erarbeiten. Die Beteiligten haben den abgestimmten Prozess im Anschluss gemeinsam durchlaufen. In ein paar Tagen sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Kundinnen und Kunden und die Geschäftspartner des Betriebes zu einem Umtrunk zur Bestellung des Nachfolgers als zweiten Geschäftsführer herzlich eingeladen.

Zusammenfassung

Es gibt keinen vergleichbaren Prozess im Betrieb, wobei eine so große Anzahl von
Interessengruppen involviert sind. Dem klassischen Ablauf des Prozesses sind starke Emotionen überlagert. Das gilt insbesondere bei einer Nachfolgeregelung in der Familie. Viele ebensolcher Nachfolgereglungen scheitern deswegen, weil nicht aufgelöste Konflikte zwischen den beteiligten Familienmitgliedern herrschen. Damit die Nachfolgereglung erfolgreich und im Sinne aller Beteiligten verläuft, ist eine Begleitung durch vertrauensvolle Dritte zwingend notwendig. Falls es scheitert, droht eine Auflösung des Lebenswerkes und die im Betrieb verankerten Arbeitsplätze sind in Gefahr.

München und Brühl im November 2021

Zur Person und Rolle

Nach dem Studium der Wirtschafts- und Organisationswissenschaften an der Universität der Bundeswehr Hamburg; mit dem Abschluss Diplom-Kaufmann und seinem anschließenden Dienst bei der Luftwaffe, begann Mirko Appel seine berufliche Karriere 1994 in der freien Wirtschaft in einer international agierenden Unternehmensberatung. Nach mehreren Führungsaufgaben als Personalleiter, Prokurist und Mitglied eines Vorstandskreises in mittelständischen Unternehmen und internationalen Unternehmen, unter anderem mit amerikanischer und englischer Führung, gründete er als Geschäftsführer vor Beginn seiner Selbständigkeit erfolgreich eine GmbH für Mitarbeiterübernahmen (M&A) im Bereich IT-Dienstleistungen und führte diese erfolgreich über mehr als 4 Jahre.

Herr Appel ist seit 1994 aktiver Reservist, derzeit im Dienstgrad Oberst. 2008 gründete er FACE TO FACE CONSULTING GmbH mit Büros in Bonn und München. Ein klares und einheitliches Verständnis von Führung im Unternehmen ist das A und O für langfristigen Erfolg. Dieses Grundverständnis gemeinsam mit Unternehmern zu erarbeiten, dafür brennt er mit Leib und Seele.

Zur Person und Rolle

Nach 20 Jahren Berufserfahrung im Personalbereich in technischen Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen ist Bernd Friedrich seit 2012 selbstständig tätig. Sein Schwerpunkt liegt in der Beratung und Begleitung des Inhabers entwickelnder, produzierender und vertreibender technischer kleiner und mittlerer (Handwerks-)Betriebe zum Thema der Unternehmensnachfolge.
 

Bernd Friedrich
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